Mindestanforderungen an eine Luftbildauswertung
Darauf sollten Sie bei der Luftbildauswertung achten
Eine Luftbildauswertung ist ein bundesweit anerkanntes und hilfreiches Mittel, um die potentielle Kampfmittelbelastung einer Fläche zu untersuchen. Obwohl es um das sensible Thema "Kampfmittel" und der Einschätzung einer von blindgegangenen Bomben oder zurückgebliebener Munition ausgehenden Gefahr geht, gibt es noch keine verbindlichen Vorschriften. Die Baufachlichen Richtlinien Kampfmittelräumung (2018) gelten bislang nur für Bundesliegenschaften. Dies hat zur Folge, dass es hohe Qualitätsunterschiede unter den angebotenen Luftbildauswertungen gibt, die zu falschen Rückschlüssen führen können.
Ohne einheitliche Regeln ist man der Willkür und der selbst ausgedachten Bewertungsmethodik des Gutachters ausgeliefert. Preise, die weit unterhalb des Marktniveaus liegen, sollten Sie stutzig machen: Je billiger ein Bericht, desto häufiger mündet das Ergebnis in teils nicht nachvollziehbare Befunde, die häufig teure Anschlussmaßnahmen erfordern. Denn ein Gutachter, der mit Kampfpreisen agiert und in der Folge beim Luftbildeinkauf sparen muss, möchte sich schließlich haftungsrechtlich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen und ist mit einem Befund eigentlich immer auf der sicheren Seite. So ist es schon vorgekommen, dass Büsche als Bombentrichter und ein Fahrsilo als zerstörte Gebäude interpretiert wurden und das Projektgebiet als Kampfmittelverdachtsfläche ausgewiesen wurde. Aus den BfR KMR lassen sich Mindestanforderungen ableiten, ohne die belastbare Rückschlüsse nur bedingt gezogen werden können. Welche Punkte eine gute Luftbildanalyse beinhalten sollte und was nach den BfR KMR nicht fehlen sollte, erfahren Sie in diesem Artikel.
Die BfR KMR (2018) sind nicht verpflichtend. Sie sind jedoch derzeit das einzige Regelwerk, dass die Vorgehensweise einer Luftbildauswertung detailliert erläutert. Angebote werden dadurch überhaupt erst vergleichbar.
Die folgenden 5 Punkte erläutern, worauf Sie achten sollten.
1. Die Hinweise der Baufachlichen Richtlinien Kampfmittelräumung 2018 beachten
Die Baufachlichen Richtlinien Kampfmittelräumung 2018 des BMUB sind, außer für Bundesliegenschaften, nicht verbindlich, geben aber den Stand der Technik wieder und liefern eine fachliche Vorgehensweise sowie Hinweise und Details für die Planung und Ausführung der Kampfmittelräumung (mehr: Zusammenfassung BfR KMR 2018). In dieser werden die Arbeitsschritte detailliert erläutert. Im Zuge einer wie üblich angefragten Luftbildauswertung ist die komplette Abarbeitung der sog. "Phase A" häufig nicht im Budget des Auftraggebers, zumal die "Phase A" z.B. auch eine Zeitzeugenermittlung aufführt, die zunehmend ins Leere läuft und in absehbarer Zeit gar nicht mehr umsetzbar sein dürfte. Jedoch sollte die Grundlagenermittlung einer guten Luftbildauswertung mindestens aus den folgenden zwei Bausteinen bestehen:
- Archivalienrecherche mit Sichtung relevanter Dokumente, Kriegstagebücher, Chroniken (der Alliierten) und anschließender Erstellung einer Angriffschronik
- Beschaffung möglichst vieler Luftbilder, die idealerweise zeitlich nah an den zuvor ermittelten Kampfhandlungen liegen und Luftbildauswertung
Der Grund ist einfach erklärt: Luftbilder zeigen die Auswirkungen von Luftangriffen. Bombentrichter, Schäden an Gebäuden, Verteidigungsstellungen und unter optimalen Bedingungen sogar die Einschlagsstellen von Blindgängern können identifiziert und entsprechend kartiert werden. In Gebieten, in denen solche Szenarien identifiziert werden, muss grundsätzlich auch mit dem Vorhandensein von Kampfmitteln gerechnet werden. Archivalien dokumentieren nicht nur oftmals jene Luftangriffe, sondern ggf. auch das Datum sowie die Uhrzeit, Art, Menge und die Anzahl der verwendeten Kampfmittel. Dies sind essentielle Informationen für eine belastbare Gefährdungsabschätzung. Ferner können sie Aufschluss über die Truppenbewegungen und über weitere Vorgänge am Boden liefern, die im Luftbild nicht erkennbar sind.
Fehlende Recherchen oder der Verzicht auf die Beschaffung möglichst vieler Luftbilder führen häufig zu pauschalen, nicht nachvollziehbaren Aussagen und zur großflächigen Ausweisung von Kampfmittelverdachtsflächen, was hohe Folgekosten nach sich ziehen kann, die anschließend der Erfahrung nach die Einsparung von wenigen hundert Euro bei der Luftbildauswertung um viele tausend Euro übertreffen können.
Wir orientieren uns an den Hinweisen der Baufachlichen Richtlinien Kampfmittelräumung 2018.
2. Angriffschronik - Allein die Auswertung von Luftbildern reicht nicht
Um eine möglichst vollständige Übersicht über die Kampfhandlungen aus der Luft und am Boden zu erhalten, ist es notwendig, diese zu recherchieren und in Form einer Angriffschronik darzustellen. Eine Angriffschronik ist eine tabellarische und zeitlich geordnete Übersicht aller dokumentierten Luftangriffe und Bodenkämpfe. Nur so lassen sich der Beginn und das Ende der Kampfhandlungen zuverlässig ermitteln. Anschließend werden Luftbilder beschafft, die möglichst zeitnah an den Ereignissen liegen. Ohne die Kenntnis der Kampfhandlungen ist es nicht möglich, Luftbilder zu beschaffen, die die Situation kurz nach den Angriffen und nach dem Ende aller Kampfhandlungen zeigen, was zu falschen Rückschlüssen führen kann. Daher kann eine Luftbildinterpretation nur belastbar sein, wenn man versucht, möglichst alle Kampfhandlungen zeitlich zu erfassen. Dabei sind jene, die auf einem Luftbild erkennbar sind, nur ein Teil des Puzzles. Der Rest ergibt sich aus einschlägiger Literatur und Archivalien. Sie gilt es, gezielt mit einzubeziehen.
Beispiel: Luftbilder vom März 1945 besitzen nur dann eine Aussagekraft, wenn im Zuge der Angriffschronik verlässlich ermittelt wurde, dass der letzte Luftangriff Ende Februar 1945 stattgefunden hat. Sie sind jedoch unzureichend, wenn bereits Ende 1943 / Anfang 1944 oder noch Anfang April 1945 Luftangriffe geflogen wurden, da die große Zeitspanne zwischen Ereignis und Luftbildaufnahme Spuren verwischen kann (Erkenntnislücke) oder das Ereignis schlichtweg noch nicht statgefunden hat.
In einer Angriffschronik werden Informationen über Kampfhandlungen am Boden zusammengetragen, die im Luftbild nicht erkennbar sind, sowie der Beginn und das Ende der Kampfhandlungen ermittelt.
3. Beschaffung und Auswertung von Bildpaaren
Oftmals wird bei der Luftbildauswertung bei der Bildbeschaffung gespart, obwohl die Bilder die wichtigste Grundlage für belastbare Rückschlüsse sind. Es gilt: je mehr Informationen vorliegen, desto besser ist das Ergebnis und umso effizienter können evtl. Anschlussmaßnahmen geplant oder gar ausgelassen werden. Je weniger Informationen, desto pauschaler der Verdacht und desto umfangreicher / teurer die Anschlussmaßnahmen. Die Kriegsluftbilder weisen unterschiedliche Qualitäten auf, teilweise mit Bildfehlern, die Kampfmitteleinwirkungen zum Verwechseln ähnlich sehen. Um diese sicher zu identifizieren, sollten grundsätzlich Bildpaare beschafft werden. Die Luftaufklärer haben in den allermeisten Fällen überlappende Bildflüge für die anschließende stereoskopische Auswertung angefertigt. Bildpaare erkennt man im Bericht an Bildern gleichen Datums mit fortlaufender und parallel laufender Nummer (z.B. Bild vom 15.03.1945, Bild-Nr. 3034 und 3035 oder 3034 und 4034). Einzelbildauswertungen, obwohl Bildpaare verfügbar wären, sind im Ergebnis stets zu hinterfragen. Fordern Sie im Zweifel nach!
Wir werden häufig nach einer zweiten Meinung gefragt. Sollten Sie ebenfalls Zweifel haben, kontaktieren Sie uns. Ihre Anfrage wird stets vertraulich behandelt. Die Kurzstellungnahme ist kostenlos.
Ist das Projektgebiet bewaldet, lautet häufig das Ergebnis: Bodensicht nicht gegeben, Fläche nicht auswertbar. Ist die Fläche seit dem Zweiten Weltkrieg durchgehend bewaldet und wurde nicht intensiv genutzt, helfen in diesen Fällen aktuelle Höhendaten in 1-m-Auflösung weiter. Aus diese kann ein Digitales Geländemodell generiert werden. Strukturen, wie Grabensysteme oder Bombentrichter werden so sichtbar. Die Verarbeitung ist rechenintensiv und erfordert spezielle Software. Für uns gehört die Auswertung von Höhendaten allerdings mittlerweile zum Standardrepertoire und sollte auch für alle anderen "vom Fach" eine Selbstverständlichkeit sein.
4. Transparenz - Die Ergebnisse müssen für Dritte nachvollziehbar sein
Das Zustandekommen der Auswerteergebnisse muss für Behörden, Kampfmittelsondierer und Bauunternehmer nachvollziehbar sein (BfR KMR, 2018: 221). Die Luftbildauswertung muss von den Originalquellen bis zur Bewertung transparent sein, so dass Dritte die Herleitung verstehen und auf das Bauvorhaben übertragen können. Jedes Gutachten ist im Prinzip eine kleine wissenschaftliche Arbeit und so sollten auch die Grundsätze dieser beachtet werden. Fehlende Transparenz belastet die Aussagekraft des Gutachtens und sollte im Zweifel im Nachgang eingefordert werden. Daher:
5. Auflistung aller beschafften und ausgewerteten Luftbilder
Alle beschafften und ausgewerteten Luftbilder sollten im Gutachten aufgelistet und mindestens mit Datum, Flugnummer und Bildnummer klar benannt werden. Nur so ist es möglich, dass Außenstehende mit diesen Informationen bei Bedarf selbst auf die Originalluftbilder zurückgreifen können (Rekonstruierbarkeit der Aussage). Die Luftbilder sollten zeitlich nah an den ermittelten Kampfhandlungen der Angriffschronik liegen, sofern die Luftbildverfügbarkeit dies zulässt.
Zusammenfassung - Vollständigkeit einer Luftbildauswertung
Luftbildauswertungen stehen meist ganz am Anfang einer größeren Maßnahme und bilden wesentliche Grundlagen, die entscheidend zur Sicherheit, zum Baufortschritt, zur Wirtschaftlichkeit und insgesamt zum Erfolg eines Projektes beitragen. Umso wichtiger ist es, dass die oben genannten Qualitätskriterien eingehalten und umgesetzt werden sollten. Die wesentlichen Punkte finden Sie auch im Anforderungskatalog für eine Luftbildauswertung zum Download und zur freien Verwendung am Ende dieses Artikels. Für welchen Anbieter Sie sich auch entscheiden - wir können Ihnen nur dringend empfehlen, die Punkte bei der Angbotseinholung einzufordern.
Download
Anforderungskatalog für eine Luftbildauswertung, BfR KMR 2018 (PDF: 10,4 KB)